"Wir stehen in unserer Zeit vor einer noch nie dagewesenen Verantwortung. Nicht einer unserer Vorfahren irgend einer früheren Epoche der Menschheitsgeschichte war in dem Maße aufgefordert, "Ja" zu sagen, wie wir es sind, getrieben von dem Impuls, der uns ins Leben brachte. Wir sind aufgerufen, das Leben in all seinen Manifestationen zu bejahen, tatsächlich eine Gesamtheit zu werden, ein Mikrokosmos des Ganzen, nichts auszuschließen und niemals zu trennen."
Pir Zia Inayat Khan
Zira'at ist ein Weg des Tuns, der Verwirklichung unserer Ideale im Hier und Jetzt. Es geht um die Art und Weise, wie wir unsere Aufgabe im Leben erfüllen und Verantwortung für das Ganze übernehmen.
Die Vision von Zira'at ist ein Mensch, der (wieder) in Harmonie ist mit den Elementen, mit der Natur, mit seiner Mitte und mit der ganzen Schöpfung. Im Zentrum steht das Herz, das alles verbindet, Himmel und Erde, oben und unten. Letztlich hängt alles zusammen, und das eine wird durch das andere bestimmt, wie es in der Tabula Smaragdina heißt: “Das, was oben ist, kommt von dem, was unten ist, und das was unten ist, kommt von dem, was oben ist, und so bewirken sie die Wunder des Einen.” Aber es ist das Herz, in dem diese Welten aufeinandertreffen, und wo die Gegensätze versöhnt werden.
Entwicklung der Herzqualitäten
Zira'at hat ganz wesentlich mit der Entwicklung der Herzqualitäten zu tun. Das bedeutet Reinigung, Selbsterkenntnis, Öffnung für andere Standpunkte und Blickwinkel, sodass wir uns selbst und andere besser verstehen können. Dieser Prozess der tiefen Selbsterkenntnis führt uns letztlich zu Gott. Der Sufimeister Hazrat Ali sagt: “Erkenne dich selbst, dann erkennst du Gott.”
Alles, was in diesem Universum gedacht, gesprochen oder getan wird, findet ein Echo, lebt weiter, wie Samen, aus denen Neues entsteht - Gutes oder Schlechtes. Wir müssen uns bewusst werden, dass unserem Geist eine kreative Kraft innewohnt, mit der wir (innere) Welten erschaffen können. Diese Kreativität gilt es zu entdecken und im eigenen Leben anzuwenden.
Verbindung mit den Elementen
"Luft, Wasser und Feuer sind Gottes Diener. Uns erscheinen sie leblos, aber für Gott sind sie lebendig", sagt Jalaluddin Rumi. In vielen spirituellen Traditionen, so auch im Sufismus, werden die Elemente als Grundlage des Seins, Grundlage der Manifestation schlechthin betrachtet. Sie sind Vibrationen, Manifestationen von Licht, Seinszustände, die sich auf jeder Ebene manifestieren können, im physischen Bereich ebenso wie im mentalen und im Gefühlsbereich.
Um ein Leben in Harmonie führen zu können, müssen wir deshalb die Elemente im Innen und Außen miteinander in Einklang bringen. Der Reinigungsatem der Elemente hilft uns, diese Energien auszubalancieren und zu integrieren.
Und weil die Elemente keine statischen Zustände darstellen, sondern ein zyklisches Miteinander, gewähren sie uns auch Einsicht in grundlegende psychische und spirituelle Entwicklungsprozesse. Hazrat Inayat Khan wählte Zira'at - eine alte persische Bezeichnung für Landwirtschaft - als Metapher für einen Weg, "der uns hilft, unser Wesen als voranschreitende Entwicklung in Richtung Fruchtbarkeit zu erleben, bei dem die Symbole und Zyklen der Landwirtschaft die Stufen der Entfaltung unseres natürlichen und essentiellen Selbst enthüllen."
Das Ritual
Im Zira'at Ritual wird dieser innere Prozess dann zur Realisation gebracht. Der Zira'at Dialog erzählt in einem rhythmischen Wechselspiel von Fragen und Antworten, wie die Arbeit auf dem Feld des Lebens erfüllt werden kann. Wir treten in einen Dialog zwischen dem Begrenzten (Ego) und dem Unbegrenzten (Gott) in uns. Dieses Wechselspiel spiegelt auch den Prozess der Landwirtschaft wider, bei dem "die physischen Gesetze und Naturkräfte durch den menschlichen Geist und seinen Ordnungssinn harmonisiert werden; Ökologie und Psychologie sind versöhnt. Weder die Natur noch die Menschheit können für sich allein die Früchte hervorbringen, die das 'Brot des Lebens' ausmachen." (Pir Zia)