Grythaugen, der heilige Berg der Samen

 

Im Sommer 2022 besuchte ich den Varanger Nationalpark, eine riesige, naturbelassene Wildnis auf der Varangerhalbinsel im äußersten Norden Norwegens. Außer grünen Bergmatten, auf denen die Rentierherden äsen, tief eingeschnittenen Tälern als Relikt aus der Eiszeit und ausgedehnten Steinhalden in höheren Lagen, von den Samen “čearru” genannt, gibt es dort nichts. Doch dieses Nichts ist unendlich kostbar. Einsamkeit, die Allgewalt und Mächtigkeit der Natur, faszinierende Lichtstimmungen und so viel Schönheit im Großen wie im kleinsten Detail – dies war eine meiner schönsten Touren im hohen Norden. Bealjáidčearru oder Bealje, zu deutsch "das Ohr", ist übrigens eine mächtige Felsrippe, die den Nationalpark von West nach Ost durchzieht. Auf Norwegisch heißt sie "Skipskjølen", weil sie dem Kiel eines Schiffes gleicht. Mit 636 Metern ist der Skipskjølen der zweithöchste Berg der Varangerhalbinsel, und seine charakteristische Gipfelformation wacht still über die Landschaft.

Mein eigentliches Ziel im Varanger Nationalpark war jedoch der Grythaugen, auf Samisch Stuorra Ruitu. Er ist Teil jener mächtigen Felsrippe, die sich quer durch den Nationalpark zieht. Der Grythaugen gilt als heiliger Berg der Samen. Und auf seinem Gipfel befindet sich auch eine alte Opferstelle. Da er im Osten den äußersten Rand der Felsrippe bildet, bietet er eine unglaubliche Aussicht weit übers Land bis zur Küste und aufs Meer hinaus.

 

 

Mittwoch, 29. Juni 2022

Es ist 6 Uhr früh. Die Sonne scheint in mein Zelt, und der Schweiß perlt mir vom Gesicht. 29 Grad für gestern und heute laut Wetterbericht.

Gestern abend bin ich todmüde ins Bett gefallen, oder eigentlich auf die Matratze. Der Rucksack war schwer. Essen für zwölf Tage ist einfach zuviel. Voriges Jahr hatte ich ja schon mit zehn Tagen meine Probleme. Und jedes Gramm extra ist da spürbar. Aber ich wollte halt ganze zwölf Tage für diese Tour in die Wildnis des Varangernationalparks Zeit haben.

Aber eigentlich wollte ich ja von der wunderschönen Gegend hier berichten. Gestern früh um 8 Uhr hat mich Steinar mit dem Taxi zum Stjernevannet (dt. Sternensee) gebracht. Und ich war ganz gerührt, dass er mir für rund 60 Kilometer einen großzügigen Freundschaftspreis von NOK 600 gemacht hat. Ich werde Steinar vermissen, wenn er endgültig von Berlevåg nach Tønsberg übersiedelt ist.

Zu Beginn hatte ich gleich eine erfrischende Furt. Das Stjernevannet fließt dort ab ins Geatnajavri (einen deutlich größeren See). Und das Wasser reichte mir fast bis an den Schritt. Aber ich hatte vorsichtshalber die Wanderhose ausgezogen beim Furten.

Als ich auf den Hügelrücken Richtung Skipskjølen aufstieg, hatte ich eine wunderbare Sicht auf das Hanglefjell, das sich in edlem Silbergrau mit weißen Schneestreifen präsentierte. Das Hanglefjell ist ein ganz besonderer Berg. Neben Stangenestind und Skipskjølen gehört es mit seinen 620 Höhenmetern zu den drei größten Erhebungen der Varangerhalvøya (dt. Varangerhalbinsel) im äußersten Norden Norwegens. Und die steile Felsflanke, die man von hier aus sieht, ist wirklich beeindruckend. Doch der eigentliche Gipfel ist eine unscheinbare Steinrippe, die sich etwa eineinhalb Kilometer hinter der Felsflanke aus der langgestreckten, sanddurchsetzten Hochebene erhebt.

 

Stjernevannet mit Hanglefjell im Hintergrund

 

Gestern jedoch ging ich vom Stjernevannet in die andere Richtung. Und begab mich eindeutig in Samen-Land. Der Weg war durch die Reifen der Quads im Gelände vorgezeichnet. Die Quads sind bullige Geländeautos mit dicken Reifen. Und nur die Samen dürfen hier mit Quads oder im Winter mit Schneemobilen wild durchs Terrain fahren, um ihre Rentierherden zu betreuen. Alle anderen müssen streng limitierte Erlaubnisscheine für strikt vorgegebene Routen einholen. Schon bald stieß ich auch auf Rentierzäune, die sich bis an den Horizont erstreckten.

 

Erfrischungstrunk aus dem Bach

 

Rentierzaun

 

Die Samen bewohnen diese Gegend im äußersten Norden Europas bereits seit etwa 12.000 Jahren. Sie sind die Ureinwohner hier, mit einer wechselvollen Geschichte. Anfänglich machte ihnen die Gebiete hier heroben kaum jemand streitig. Erst im 16. Jh. n. Chr. begannen die Regierungen der nordischen Länder, ihren Einfluss auf die Regionen jenseits des Polarkreises auszudehnen. Sukzessive begannen sie die Rechte der Samen zu beschneiden, und eine wechselvolle Geschichte mit viel Leid und Unterdrückung für die Ureinwohner begann. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts gelang es den Samen der betroffenen Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Russland, zu einer gemeinsamen kulturellen und politischen Identität zu finden und nennenswerten Widerstand zu leisten, der in der Gründung eines eigenen Samenparlaments seine Krönung fand. In Norwegen führte dann der sogenannte Altakonflikt 1980-81 zu einem größeren politischen Umdenken. Damals demonstrierten Samen aus verschiedenen Ländern gemeinsam gegen den Stau des Altaflusses. Heute genießen die Samen einen weitgehenden Schutz ihrer Kultur und Lebensform. Einen guten Überblick über die Geschichte der Samen gibt zum Beispiel Veli-Pekka Lehtola in "The Sámi People. Traditions in Transition", ins Englische übersetzt von Linna Weber Müller-Wille, University of Alaska Press 2004.

Doch zurück zu meiner Tour. Schneller als erwartet erreichte ich mein erstes Etappenziel, den Wasserlauf zwischen Oarddojavri und den Svanevannan (beides Seen, Anm.). Dort hielt ich eine ausführliche Rast und widerstand der Versuchung, gleich dort mein Zelt für die Nacht aufzuschlagen. Es war ja erst 14 Uhr.

 

Erste Talquerung bei den Svanevannan

 

Ich sah, dass die Quads-Fahrspur auf der anderen Seite des Wasserlaufs weiterging, und folgte ihr – leider. Stück für Stück schraubte ich mich den Hang des Suoidneoaivvit hoch, der schwere Rucksack ließ mich immer wieder pausieren. Mein Gefühl sagte mir, dass ich mich zu weit rechts befand. Doch da war doch dieser Weg. Und ich erinnerte mich, dass hier auch auf der Karte ein rotgepunkteter Weg eingezeichnet war. Nicht auf der, die ich mit hatte. Aber auf der Internetkarte (www.norgeskart.no), sobald man sich tiefer hineinzoomte.

Als aber der Weg nach der höchsten Erhebung immer weiter nach rechts abdriftete, war ich irritiert. Denn die langgezogene Felsrippe linker Hand musste doch das Skipskjølenmassiv sein! Normalerweise, wenn ich mit Karte navigiere, handle ich mich Stück für Stück an den erkennbaren topografischen Gegebenheiten entlang, an Bergkuppen, Tälern, Flüssen und Seen. Hier hatte ich wegen des klar sichtbaren Weges auf diese Navigation verzichtet und musste mich nun mühsam wieder zurechtfinden in dieser monotonen, weitgestreckten Landschaft. Ich marschierte also querfeldein auf das Skipskjølenmassiv zu. Und nach etwa zwei Kilometern konnte ich unten im Talgrund auch einen langgezogenen Buckel erkennen, den ich auf meiner Karte identifizieren konnte. Ich hatte die Orientierung wiedergefunden! Und bald war auch der kleine Seitenbach erreicht, an dem ich mein Zelt aufschlug.

 

Die Felsrippe des Skipskjølenmassivs zieht sich quer durch den ganzen Nationalpark

 

Donnerstag, 30. Juni 2022_07:00

Als ich heute um 3 Uhr früh vor die Hütte ging, schien noch die Sonne. Und ich hoffte, dass der Wetterbericht Unrecht hatte, der für heute vormittag Regen angesagt hatte. Dann hat sich der Himmel allerdings ganz schnell verzogen.

 

Heimdalhütte an den Ausläufern des Skipskjølen

 

Tal vor der Hütte mit Steinlabyrinth

 

Und so sieht es im Inneren der Hütte aus

 

Von wegen Hütte – ja, ich bin seit gestern nachmittag auf der Heimdalhütte. Sie hieß früher Kjølstua und ist eine jener Hütten aus der Zeit vor dem II. Weltkrieg, die die Elektrizitätsgesellschaft entlang der Stromleitung gebaut hatte, die hier übers Fjell führte. Diese Hütten haben in der Regel eine kleine Stube mit Stockbetten rechts und links und einem Holzofen, und einen großen Vorraum, der früher als Pferdeverschlag diente, und in dem heute Brennholz und andere nützliche Dinge gelagert werden. Die E-Leitung gibt es nicht mehr, sie wurde abgebaut. Und die Hütten, die heute vom Roten Kreuz Båtsfjord gewartet werden, dienen als Notunterkünfte für Wanderer. In einem Regal befinden sich Verbandszeug, Tee, Kaffee, Packerlsuppen und Konservendosen. Allerdings wird gebeten, diese Dinge nur im Notfall anzurühren und die Hütte so sauber zu verlassen, wie man sie vorgefunden hat. Das Mitnehmen des eigenen Mists inklusive.

Die Heimdalhütte ist wunderschön gelegen, in einem kleinen Tal an den Ausläufern des Skipskjølen. Vor der Hütte gibt es ein spiralförmiges Labyrinth. Allerdings schien es mir nicht alt zu sein, dafür war es zu perfekt geformt. Ich nahm mir aber vor, das auf www.kulturminnesøk.no zu überprüfen, einer Web-Karte von Norwegen, auf der alte Siedlungsreste und Kultstätten von der älteren Steinzeit bis in die jüngere Neuzeit eingezeichnet sind. (Zu Heimdal fand sich tatsächlich kein Eintrag, Anm.)

Laut Hüttenbuch waren heuer bereits fünf Besuchergruppen hier. Die ersten im Februar, dann drei im April und eine im Juni. Offenbar ist die Hütte auch bei Tourengehern im Winter beliebt, wobei dann die meisten von Ordo via Helheimhütte kommen.

Der Weg von der Ravdoljohka (dort war mein letzter Schlafplatz; Johka heißt auf samisch Fluss) hierher war überraschend gut zu gehen. Das Gelände war zwar steinig, doch immer wieder mit Vegetation dazwischen. Und ich sah auch immer wieder kleine Steinmänner, die bestätigten, dass ich hier richtig war.

 

Rast im Transportdalen auf dem Weg zur Heimdalhütte

 

Kleine Steinmänner markieren den weiteren Weg

 

Als ich nach acht oder neun Kilometern gegen 15:30 bei der Hütte ankam, war ich trotzdem erschöpft. Der Rucksack war schwer, die Druckstellen auf den Schultern und im unteren Rücken schmerzten. Mein Exped Lightning 60 Rucksack ist mit etwas mehr als 1 kg zwar wunderbar leicht, allerdings ist der reduzierte Hüftgurt nicht sehr bequem, vor allem bei voller Beladung.

Zunächst dachte ich, ich schaffe es nicht, wie geplant am selben Tag noch von hier aus den Skipskjølen zu besteigen. Immerhin sind es von hier bis zum Gipfel und retour noch rund zwölf Kilometer in anspruchsvollem Gelände. Doch das Wetter war so schön. Und ich hatte die begründete Befürchtung, dass es nicht bis morgen so bleiben würde. Also hab ich ein vorgezogenes Abendmenü verspeist, Dorsch in Currycremesauce (gefriergetrocknete Fertignahrung). Und das hat mir so viel Kraft gegeben, dass ich anschließend ohne Rucksack leichtfüßig von Stein zu Stein geturnt bin. Denn der Skipskjølen ist in all seiner Mächtigkeit eben auch ein riesiger Steinhaufen. Wobei auch Steinlandschaften sehr unterschiedlich sein können. An der Nordostflanke des Berges erleichterten mir weitgestreckte Schneefelder einen Teil des Aufstiegs. Dazwischen hatte ich einige sehr nasse, sumpfige Passagen zu überwinden – eine Art von aufgeweichter Erde zwischen den Steinen, in die man allerdings ganz schön tief einsinken konnte. Schließlich stieß ich auf eine tiefe Talfurche, die sich von den beiden Seen auf dem Plateau zwischen den beiden Gipfeln ins Tal gegraben hatte. Von dort konnte ich auch recht gut die Route zur nächsten Hütte überblicken, die morgen auf dem Programm stand.

 

Zunächst erleichtern Schneefelder den Aufstieg

 

Talfurche an der Flanke des Skipskjølen

 

Eigentlich hat der Skipskjølen ja sogar drei Gipfel, einen niedrigeren mit 596 m, der von Heimdal aus der nächste gewesen wäre. Die beiden anderen liegen an einer großen Rippe, die das Gipfelplateau nach Osten hin begrenzt. Der höhere von beiden ist mit 636 m auch der Hauptgipfel des Bergmassivs. Und er ist von einem riesigen, geschätzte 3 m hohen Steinmann gekrönt, der auf einem Felsplateau hockt. Wie man wohl so große Steinmänner bauen kann?

 

Gipfelsteinmann des Skipskjølen

 

Aber zurück zu den Steinformationen. Von der erwähnten Talfurche weg prägten riesige Felsplatten die Landschaft, die einigermaßen gut zu gehen waren. Von hier aus sah der Hauptgipfel auch recht nahe aus. Aber in dieser flachen, eintönigen Landschaft sind Entfernungen schwer einzuschätzen. Der Stein wurde nun leicht rötlich und setzte sich aus kopf- bis tischgroßen Blöcken zusammen. Immerhin waren es von hier bis zum Gipfel immer noch gute zwei Kilometer, und es erforderte einige Konzentration, die ganze Zeit von Stein zu Stein zu springen. Aber ich hatte Glück und rutschte nirgends ab.

Der Gipfel selbst war überwältigend. Die ganze Landschaft hier ist überwältigend. Nicht wegen der Höhe, die mit 636 m den meisten wohl nicht besonders imposant erscheinen mag. Nein, es sind diese riesigen Dimensionen des Bergmassivs, das sich durch die Landschaft zieht. Als ich da oben am Gipfel stand und sah, wie weit der zweite Gipfel entfernt war, und wie sich nach der anderen Seite die Kjøltindane als Fortsetzung des Bergmassivs bis zum Bjørnskaret hinzogen, wurde ich für einen Moment von meiner eigenen Kleinheit und Verlorenheit in dieser mächtigen Landschaft überwältigt. Allerdings nur kurz. Denn im nächsten Moment spürte ich das Herz weit werden. Und ich spürte Freude aufwallen, Freude darüber, Teil dieser herrlichen Weite sein zu dürfen.

Die samische Bezeichnung für den Skipskjølen ist übrigens Bealjáidčearru. Bealje bedeutet Ohr, und čearru ist die Bezeichnung für Blocksteinhalde. Angeblich erhielt der zweithöchste Berg der Varangerhalbinsel diesen Namen, weil er von oben wie ein liegendes Ohr aussieht. 

 

Blick vom Gipfel des Skipskjølen in Richtung Kjøltindane ...

 

... und zum Tal des Sandfjordelva

 

Blick zurück zum Gipfel im Abendlicht

 

Mitternachtssonne vor der Heimdalhütte

 

Draußen vor der Hütte zieht es immer dichter zu. Mein Solarpanel, das ich vor der Hütte aufgestellt habe, um die Powerbank wieder vollzuladen, produziert kaum noch Saft, wenn überhaupt. Das hätte ich besser gestern noch erledigt, aber da war ich zu müde, als ich heimkam. Da wollte ich mich nur noch im Bach waschen und dann ins Bett kriechen.

Auch die Temperatur ist in der Zwischenzeit merklich gefallen. Laut Wettervorhersage von 29 auf 10 Grad. Und das dürfte wohl einigermaßen hinkommen. Jetzt werde ich noch meine Morgenmeditation machen und dann für den Weiterweg packen.

 

Freitag, 1. Juli 2022

Gestern beim Weggehen von Heimdal nieselte es. Doch kaum war ich ein paar Schritte gegangen, hörte es wieder auf. Und es war ein Fehler, die Regenhose nicht gleich auszuziehen, weil ich mich jedesmal plagen musste, zur Karte zu kommen, die ich in der Seitentasche der Wanderhose griffbereit hatte. Faulheit eben ...

Es wurde dann eigentlich ein recht schöner Tag, Sonne mit Wolken durchwachsen, deutlich kühler als am Vortag. Und am Nachmittag wurde der Wind stärker und kälter, sodass ich trotz Gehwärme den Anorak anzog.

Zunächst ging es am Fuß des Skipskjølenmassivs entlang. Oder genauer, es ging eigentlich den ganzen Tag entlang dieses Bergmassivs, das mir zur Zeit von der Ragnarokkhütte aus seine andere Seite zeigt. Die andere Seite des Hauptgipfels wohlgemerkt. Denn in Wahrheit zieht sich diese mächtige Felsrippe ja quer durch den ganzen Varangernationalpark.

 

Rechts hinten die Schulter des Skipskjølen, von der mich noch das Quellgebiet der Morešveaijohka trennt

 

Eine gröbere Aktion war es, mir einen Weg durch das Einzugsgebiet der Morešveaijohka zu bahnen, die später in den Syltefjordelva mündet (nw. elva bedeutet wie sam. johka Fluss). Auf der Karte waren dort 7 dünne blaue Striche eingezeichnet, die sich im Quellgebiet vereinigten. Tatsächlich fand ich dort 2 km tief zerfurchte Steinwüste vor, dazwischen immer wieder Moospolster oder durchweichte Erde, Wasser allenthalben.

Der ganze Skipskjølen scheint dort sein Wasser zu lassen. Tatsächlich speist der Berg natürlich mehrere Flüsse. Doch das Einzugsgebiet der Morešveaijohka, das noch viel größer ist als der kleine Bereich, den ich durchwanderte, zeigt wieder einmal die Gewaltigkeit dieser ungezähmten, wilden Natur. Überall gurgelt und sprudelt es. Das Wasser schert sich nicht viel um Flussbetten, sondern strömt und mäandert einfach über den ganzen Hang, bildet hier kleine Tümpel und Seen, vereinigt sich dort zu einem Wasserlauf. Teilweise fließt das Wasser auch halb unterirdisch, unter und zwischen den groben Steinbrocken, die den Talboden bedecken.

 

Der erste Quellfluss der Morešveaijohka

 

Mittlerweile hatte ich mich auch wieder an das Verhältnis zwischen den Dimensionen in der Natur und auf der Karte gewöhnt, sodass ich jedenfalls bei guter Sicht sehr exakt navigieren konnte. An manchen Stellen stieß ich auch auf kleine Steinmänner. Allerdings waren sie hier viel seltener als im letzten Streckenabschnitt.

Als ich hinter der Schulter des Skipskjølen das Quellgebiet eines weiteren Flusses querte, änderte sich der Charakter der Landschaft. Nackte, mit kleinen Steinen und spärlichen Grasbüscheln durchsetzte Erdflächen und freundliche Rotbrauntöne, so weit das Auge reichte. Am Horizont die flachen, langgestreckten Bergkuppen, allesamt unbekannt. Ich sah mich außerstande, einzelne davon mit Hilfe der Karte zu identifizieren oder auch nur andeutungsweise die Richtung etwa des Kjøpmannskjølen oder des Røyskattfjellet zu erahnen, die ich ja auch besteigen wollte.

 

Am Horizont wird der Grythaugen sichtbar

 

Doch dann tauchten über der Landschaftsrippe, die mich noch vom Tal der Ragnarokkhütte trennte, plötzlich rechter Hand ein paar markante Bergkuppen auf. Und markant ist hier wohlgemerkt schon alles, was nicht flach und langgestreckt ist. Das konnten nur die Ausläufer der Kjøltindane sein, mit dem Bjørnskaret und dem Grythaugen. Und dann sah ich auch schon die kleine rote Hütte! Ragnarokk heißt sie, so wie der Weltuntergang in der altnordischen Snorra Edda.

 

Die Ragnarokkhütte

 

Eigentlich wäre ja der Plan gewesen, noch weiter bis zur Bjørneskarhütte zu gehen. Aber ich war so müde von den Anstrengungen der letzten drei Tage, dass ich kurz vor der Ragnarokkhütte stolperte. Es passierte nichts Gröberes. Der linke Daumenballen war abgeschürft. Das linke Knie und Schienbein war gottseidank durch die Knieschoner geschützt. Trotzdem holte ich mir eine offene Wunde, die bald zu einer dicken Beule anschwoll. Es war klar, dass das nur ein leichte Blessur war. Doch ich war froh, in der Ragnarokkhütte Schutz vor dem kalten Wind zu finden. Vergessen waren alle Pläne, am selben Tag noch Wäsche zu waschen. Ich machte mir ein warmes Essen, Curryhuhn, und fiel müde ins Bett, obwohl es erst 18:00 war. Und als ich nach zwei Stunden aufwachte, fühlte ich mich so hungrig, dass ich mir eine heiße Schokolade und eine Instantsuppe aus den Hüttenvorräten genehmigte.

Auch diese Hütte hier gehört dem Roten Kreuz Båtsfjord. Ein Merkblatt wies darauf hin, dass die Hüttenbenutzung gratis ist. Und dass man aber ans Rote Kreuz Båtsfjord spenden kann, wenn man möchte. Genau das habe ich vor! Denn im Grunde ist es wunderbar, dass Menschen einfach so für andere Menschen eine schwer zugängliche Unterkunft in der Wildnis in Schuss halten und dort auch noch kostenlos Feuerholz, Essen, Verbandszeug etc. bereit halten. Das ist echte Gastfreundschaft! Und hier sind die Kontodaten:

Bankkontonr. 49 30 12 93 703 oder

Vippsnr. 18597

Mobilnr. 0047 480 02 656

Irgendwie schaut das nicht nach brauchbaren internationalen Bankdaten aus. Aber ich werde es schon schaffen, was zu überweisen. (Tatsächlich beteiligten sich nach der Tour meine Freunde Dieter und Daniela aus Berlevåg voller Begeisterung über meine Erzählungen an der Spendenaktion, und wir überwiesen zusammen NOK 4000 an das Rote Kreuz Båtsfjord, mit Hilfe der norwegischen Vippsnummer.)

Mittlerweile scheint die Sonne. Der Himmel ist großflächig blau, wenn auch von Wolkenfetzen durchzogen. Und der Wind ist etwas sanfter geworden. Werden sehen, ob ich noch etwas schlafen kann. Denn es ist erst 3/4 5 Uhr.

 

Freitag abends_19:10

Bin auf der Bjørneskarhütte angelangt. Habe Bacalao in Tomatensauce verspeist und Wäsche gewaschen. Von den vier Betten sind zwei mit Schlafsäcken belegt. Aber die dürften eher zur Hüttenausstattung zählen. Denn es gibt sonst keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit von Leuten. Auch der Hauptschalter für den Solarstrom war bei meiner Ankunft abgedreht. Ja, hier gibt es seit kurzem ein Solarpanel am Dach!

Diese Hütte ist leichter erreichbar. Sie gehört bereits zum Gemeindegebiet von Vardø und wird deshalb auch vom Roten Kreuz Vardø betreut. Offenbar wandern einige Touristen im Sommer oder Winter das Komagdalen (nw. dal = Tal) herauf. Leider merkt man das auch am Zustand der Hütte. Der Ofen ist voll alter Asche, der Tisch voller Brösel, als ich ankomme. Rund ums Clo und auch in weiten Kreisen um die Hütte liegt altes Clopapier in der Gegend herum.

Die Wanderung hierher war schön. Oben in Ragnarokk noch die braunen, dürren Gräser zwischen den kargen Steinen, ein Zeichen dafür, dass dort bis vor kurzem noch Schnee lag. Hier herunten, etwa 140 m tiefer, ist alles grün und blüht und sprießt. Von hier aus kann ich auch den Grythaugen gut sehen. Der von mir anhand der Karte identifizierte Weg auf diesen Berg könnte tatsächlich funktionieren. Ich werde ihn morgen ausprobieren.

 

Am Abend zieht ein dicker Wolkenwurm über den Skipskjølen (hier von der Ragnarokk-Hütte aus gesehen)

 

Doch am Morgen herrscht wieder eitel Sonnenschein

 

Nun geht's hinunter ins Tal zur Gárgašjohka

 

Bjørneskarhütte

 

Sonntag, 3. Juli 2022

Heute ist ein typischer Tag für hier heroben – der Himmel locker bewölkt mit wechselnden blauen Öffnungen, sodass immer wieder mal die Sonne durchscheint. Der Wind ist heute ganz schön kräftig, aber nicht unangenehm. Als ich vorhin zum Bach flitzte für die Morgentoilette, hielt er mir die lästigen Gelsen vom Leib. Allerdings ist es ungewöhnlich warm. Das Hüttenthermometer zeigt 31 Grad. Der Wind kühlt die gefühlte Temperatur allerdings auf ein angenehmes Maß herab.

Heute ist Rasttag. Zunächst habe ich ausgiebig gefrühstückt (ausgiebig war nur der Kaffee, denn die Morgenration besteht unverändert aus einem Riegel; zwei weitere Riegel gibt es als Wegzehrung untertags, und am Abend eine warme Mahlzeit). Und ich habe die Karten studiert, auch die Prospekte hier zum Nationalpark gelesen. Also, čearru bedeutet Blocksteinhalde. Weshalb der Noiddid Čearru, nw. Kjøpmannskjølen, leider ein veritabler Steinhaufen sein dürfte. Dort will ich morgen hin. Und die Idee, das Zelt auf der anderen Seite des Gárgaš aufzustellen, um morgen näher bei meinem Ziel zu sein, hab ich wieder fallengelassen. Nur mit leichtem Tagesrucksack schaffe ich ja viel größere Entfernungen. Es bringt wohl auch nicht allzu viel. Und ich gebe zu, die Bequemlichkeit der Hütte ist nicht zu verachten, vor allem weil ich sie alleine für mich habe.

...

Mittlerweile ist es "abgekühlt" auf 26 Grad. Ich war grade draußen, weil ich etwas Durchfall habe von dem dauernden gefriergetrockneten Essen. Nicht arg, aber so, dass ich mehrmals pro Tag laufen muss. Und das Häusl hier ist leider unbenutzbar. Die Plumpsclos auf der Heimdal- und der Ragnarokkhütte waren sauber und einladend. Aber dieses hier ist bis 20 oder 30cm unterhalb der Clobrille angefüllt. Es stinkt dementsprechend. Und als ich es inspizierte, sind gerade zwei schwarze Käfer von unten hinauf auf die Clobrille gekrochen. Also nein!

Ich hab mir dann eine Art Clogrube weiter hinten am Rand des Sumpfes gesucht, wo ich allerdings nur die verrottbaren Krapfen unter ein paar losen Steinen deponiere. Das gebrauchte Clopapier sammle ich ein und werfe es ins Häusl. Offenbar haben andere vor mir ähnlich gedacht, nur dass die halt das Clopapier einfach in der Landschaft verstreut haben. Gestern habe ich deshalb Karmayoga gemacht und einen Gutteil dieses Clopapiers mit Hilfe zweier Holzstücke, die ich als eine Art Zange benutzt habe, eingesammelt und ins Clo geworfen. Auch eine leere Gaskartusche habe ich schön versteckt hinter dem Häusl gefunden. Ich habe sie in die Hütte getragen. Die sollen die Leute vom Roten Kreuz Vardø mitnehmen, wenn sie das nächstemal kommen. Denn die fahren da offenbar mit ihren Quads herauf, oder mit Schneemobilen. Auch den riesigen Aschehaufen im Ofen hab ich ausgeleert. Es ist ein Wunder, dass der Ofen überhaupt noch gezogen hat bei so viel Asche.

Aber eigentlich wollte ich ja von gestern berichten, von meiner Tour auf den Grythaugen, auf Samisch Stuorra Ruitu. Es war ein wunderbarer Tag, eine herrliche Tour. Aber auch herausfordernd. Ich startete spät, erst um 11:00, weil ich in der Früh lang geschlafen hatte und dann mit dem Karmayoga beschäftigt war. Der Himmel war so gut wie wolkenfrei, der Wind nur ein leichtes Lüfterl. Zuerst marschierte ich den Hüttenbach entlang ins Tal der Gárgašjohka, die dort bereits das Wasser der vom Skipskjølen kommenden Vuoččalanjohka aufgenommen hat. Trotzdem war diese Furt leicht zu bewältigen.

 

Grythaugen (li.) mit Bjørnskardet (Mitte) und den Ausläufern der Kjøltindane (re.)

 

Die erste Furt über die Gárgašjohka

 

Ich marschierte dann durch den zerklüfteten Talboden auf die zwei hochaufgerichteten Felsblöcke zu, die mir bereits am Vortag von Weitem aufgefallen waren. Von der Gárgašseite sieht es so aus, als würden sie als zwei schwarze Wächter unmittelbar vor einem Schneefeld stehen. Aber das täuscht, wie so vieles hier in der Landschaft. Sie erinnerten mich an Stallos, wie die Samen diese trollähnlichen Figuren nennen, die als tolpatschig und dumm gelten und so wie unsere Riesen oft versteinert in der Landschaft stehen.

Ich wusste, dass ich vor dem Aufstieg zum Grythaugen noch einen zweiten Fluss furten musste, die aus dem Bjørnskardet (skard = Scharte) kommende Guovžagurjohka. Eigentlich hatte ich einen harmlosen Bach erwartet. Tatsächlich war diese johka – wohl dank des immer noch sehr präsenten Schmelzwassers – um einiges reißender und mächtiger als die erste Furt. Das Wasser jagte in schaumbekronten Stromschnellen an mir vorbei. Offenbar führen die Flüsse hier alle im Moment mehr Wasser als üblich um diese Jahreszeit, weil nach einem schneereichen Winter immer noch genügend Schneefelder für Nachschub sorgen.

Ich suchte also nach einer geeigneten Stelle für eine Furt. Und fand auch bald eine. Der Fluss teilte sich hier in zwei Teile, wobei der erste Teil durchaus wasserreich, aber nicht schwer zu furten war. Der zweite Teil jedoch hatte es in sich. Die Strömung zerrte so sehr an meinen Stöcken, dass sie heftig zu zittern begannen. Wenn ich einen Stock versetzte, musste ich ihn rasch und kräftig nach unten stoßen, weil ihn das Wasser sonst weggefegt hätte. Als ich die Flussmitte überquert hatte, wurde es tiefer, und das Wasser reichte mir etwa 10 cm über den Schritt. Ich hatte mich unten ohnehin bis auf die Unterhose ausgezogen. Aber eine solche Wassertiefe kombiniert mit der starken Strömung war zuviel. Es heißt ja, dass das Wasser beim Furten nie die "edlen Teile" benetzen sollte, weil sonst der Wasserdruck zu groß wird. Eigentlich hätte ich umkehren und eine geeignetere Stelle für die Furt suchen müssen. Aber ich war schon fast drüben am anderen Ufer. Und da passierte es auch schon. Ich verlor das Gleichgewicht und hatte wohl im Versuch auszubalancieren den linken Wanderstock losgelassen. Halb liegend im Wasser griff ich mit der Linken hastig nach einem Zweig, der von einem Busch übers Ufer herunterhing. Der Stock war natürlich weg. Und ich war vollkommen durchnässt. Auch die Schuhe, die ich samt Socken um den Hals hängen hatte. Glücklicherweise war der Rucksack nur wenig durchnässt, weil ich mich ja gleich an diesem Zweig aus dem Wasser hochziehen konnte. Meine Kamera und der Großteil meines Reservegewands waren also trocken geblieben.

 

Und hier die Guovžagurjohka mit dem Busch, an dessen Zweigen ich mich aus dem Wasser gezogen habe

 

Ich hatte gelernt, dass man beim Waten den Hüftgurt und Brustgurt des Rucksacks aufmachen soll, damit man sich notfalls im Wasser rasch von der Bürde befreien kann. Leider hatte ich auch die Stöcke ohne Schlaufen gehalten. Ich wusste also, ich muss durch diesen Fluss wieder zurück, und diesmal mit nur einem Stock. Und es war anzunehmen, dass der Fluss an einem solch warmen Sommertag am Abend dank der Schneeschmelze eher noch mehr Wasser führen würde.

Aber damit wollte ich mich im Moment nicht beschäftigen. Ich war gekommen, um den Grythaugen zu besteigen. Beim Aufstieg scannte ich allerdings aufmerksam die Gegend und identifizierte eine Stelle mit dürrem Buschwerk, wo ich einen Ersatzstock zu finden hoffte. Und ich sah von oben zwei potenzielle Stellen, die für eine bessere Furt in Frage kämen.

Der Grythaugen besteht eigentlich aus einem langgestreckten Rücken mit drei Erhebungen, die allesamt auf dieser Seite (Richtung NNO) eher steil aufragen, jedenfalls für hiesige Verhältnisse. Doch ich hatte bereits zu Hause auf der Karte eine Aufstiegsmöglichkeit auf den Grythaugen vom Bjørnskardet ausgemacht. Meine Vermutung war offenbar richtig. Denn tatsächlich führten von der Guovžagurjohka aus mehrere ausgetretene Rentierpfade zunächst nach rechts hinauf zu einem Vorsprung, und von dort schräg links unterhalb des ersten Gipfels, des Uhcit Ruitu, hinüber zum Mittelgipfel, dem Gaskkamus Ruitu. Dieser Aufstieg war leicht zu gehen – grüne, mit Steinen durchsetzte Wiesen- und Moosmatten. Auch allerlei Blumen. Nur das oberste Gipfelhäubchen des Gaskkamus Ruitu war wieder ein veritabler Steinhaufen, so wie auch der Grat vom ersten zum zweiten Gipfel. Doch welcher Blick sich vom Gaskkamus aus öffnete! Vor mir lag eine liebliche, teilweise sogar begrünte Senke mit zwei Seen, einem größeren und einem kleinen. Und dahinter der Grythaugen, dessen leicht rötliches Gestein im Sonnenlicht warm und einladend aussah. Und er sah ganz nahe aus ...

 

Unterhalb des ersten Grythaugengipfels (Uhcit ruitu, li.) vorbei ...

 

... zum mittleren Gipfel, dem Gaskkamus Ruitu

 

Die Sicht weitet sich

 

Der Grythaugen war von Anfang an mein eigentliches Hauptziel gewesen. Dieser besondere Berg ist den Samen heilig. Und laut Arvid Sveen, der in seinem Buch "Mytisk Landskap" heilige Stätten der Samen in der Finnmark beschrieben hat, befindet sich dort am Gipfel eine alte Opferstätte mit seltsam geformten Sieidesteinen und sechs Opfergruben. In dreien davon kann man alte Reste von Rentierknochen finden, in den drei anderen Kohlereste.

Außerdem laufen am Gipfel des Grythaugen drei Gemeindegrenzen zusammen – jene von Båtsfjord, von Vardø und von Vadsø. Vor allem aber hat man vom Grythaugen bei guter Sicht auch eine fantastische Aussicht bis zur Meeresküste auf der einen Seite und weit über die flachhügeligen Hochebenen auf der anderen Seite.

Doch wie schon beim Skipskjølen trog auch hier die scheinbare Nähe. Denn vom Gaskkamus sind es noch beachtliche 4 km bis zum 492 m hohen Gipfel des Grythaugen. Und auch hier führte der Weg wieder großteils über unwegsame Blockhalden. Es ist diese mächtige, behäbige Weitläufigkeit der Landschaft, die einem immer wieder Geduld abverlangt, und Ausdauer. Mental ebenso wie physisch.

Dazu kam, dass ich meine Wegzehrung für heute – zwei Riegel – großteils für die Furt am Rückweg aufsparen wollte, um dafür genügend Energie zu haben. Auf dem Gipfel des Grythaugen erlaubte ich mir deshalb nur einen halben Riegel. Und auch davon opferte ich ein kleines Stück sowie ein bissel Wasser aus meiner Wasserflasche nach alter Samensitte den Spirits dieses heiligen Ortes. Ich finde diese Sitte schön, weil sie einem immer wieder bewusst macht, dass die Ressourcen dieser Erde allen gehören, und dass es ums Miteinander und ums Teilen geht. Auf die Größe der Gabe kommt es dabei nicht an, sondern auf die innere Haltung.

Damit war's das aber auch schon mit dem Samischen. Denn ich konnte keine Spuren von diesen Sieidesteinen und den sechs Opfergruben am Gipfel entdecken. Vielleicht hatte ich die Beschreibung zu ungenau gelesen? Oder sie war bewusst ungenau gehalten, um diesen heiligen Ort vor unbefugten Augen zu schützen?

 

Blick vom Grythaugen weit übers Land

 

Allerdings hatte ich auch nicht lange gesucht, weil ich müde war und mich die Gedanken an die bevorstehende Furt ablenkten. Nach einer kurzen Rast, bei der ich die sagenhafte Aussicht genoss, trat ich wieder den Rückweg an. Diesmal war ich allerdings etwas schlauer und ging nicht direkt am steinigen Kamm, sondern etwa 20 bis 30 Höhenmeter weiter unten, wo die Blocksteinhalde etwas schütterer war, teilweise sogar mit Moospolstern zwischen den Steinen. Ein kleiner Steinmann zeigte mir, dass auch andere vor mir schon diese Entdeckung gemacht hatten.

 

Grythaugen mit See vom Gaskkamus aus in der Abendsonne

 

Beim Abstieg vom Gaskkamus zeigte sich dann eine magische Lichtstimmung am Himmel. Die Abendsonne war teilweise von Wolken verdeckt und färbte den Horizont rot. Gleichzeitig blitzten dicke Lichtstrahlen durch die Wolkenöffnungen vom Himmel herunter.

 

Magische Lichtstimmung beim Abstieg

 

Und dann kam die Stunde der Wahrheit. Ich war wieder unten am Fluss. Ich hatte nicht wirklich Angst. Denn schlimmstenfalls würde ich mich mit Schwimmbewegungen durch den Fluss kämpfen müssen. Aber dann war halt alles nass, und die Kamera würde das wohl kaum heil überstehen. Ich neige nicht dazu, in herausfordernden Situationen in Panik zu verfallen. Ganz im Gegenteil: mein ganzes Denken und Tun ist dann darauf konzentriert, Lösungen zu finden, gegeneinander abzuwägen und dann schlicht zu tun, was getan werden muss.

 

Ich nähere mich wieder dem Fluss

 

Im konkreten Fall hatte ich die eine der beiden beim Aufstieg identifizierten Furtmöglichkeiten bereits wieder verworfen. Von oben sah die Wasseroberfläche auf dieser kleinen Teilstrecke des Flusses zwar erstaunlich ruhig aus, und man sah bis auf die Steine am Grund hinunter. Aber über die eigentliche Wassertiefe sagte das wenig aus. Ich wusste auch, dass die Strömung trotzdem stark sein musste. Denn der Fluss drängte ja weiter. Das Hauptargument dagegen war allerdings die Tatsache, dass das gegenüberliegende Ufer dort mehrere Meter sehr steil zum Fluss abfiel. Dort hinaufzukommen war fast unmöglich. Und auch das Terrain dahinter sah wild zerklüftet und wenig einladend aus.

Also machte ich mich zunächst einmal auf die Suche nach einem Ersatzstock, der stabil genug war, um der Strömung standzuhalten. Und auch einigermaßen gerade. Tatsächlich fand ich einen geeigneten Stock, dürr, aber trotzdem stabil. Ich suchte nun die zweite Furtvariante auf, wo sich der Fluss in einer Kurve in gleich drei Arme teilte. Sorgfältig suchte ich nach der geeignetsten Passage und entschied mich für jene Stelle, wo sich zwei der drei Teilflüsse zu teilen begannen. Die Wasseroberfläche schien dort nicht ganz so stark von Stromschnellen zerfurcht zu sein.

Dann aß ich meine eineinhalb Riegel. Und es ist wirklich erstaunlich, wie schnell der Körper auf diese Energiezufuhr reagiert. Ich fühlte mich nicht mehr müde, sondern kräftig, verpackte meine Sachen inklusive Kamera so gut es ging im Regenzeug und der Rucksackregenhülle, stopfte diesen Riesenknäuel dann in den Rucksack, schlüpfte mit nackten Beinen in meine Trekkingsandalen und machte mich darauf gefasst, das andere Ufer notfalls mit Schwimmbewegungen erreichen zu müssen.

Diesmal hatte ich den Vorteil, dass sich die eigentliche Schlüsselstelle – also jene Stelle, wo der Hauptstrom am Ufer entlangzieht – gleich am Anfang befand und nicht auf der gegenüberliegenden Seite wie am Vormittag. Nach den ersten zwei, drei Schritten kehrte ich gleich wieder um. Das Wasser war hier zu tief. Aber etwa einen Meter oberhalb schien es besser zu gehen. Auch hier reichte mir das Wasser wieder über den Schritt. Doch ich konnte der Strömung standhalten. Mein Ersatzstock hielt erstaunlich gut. Ich platzierte ihn auf der flussaufwärts gerichteten Seite, weil die flussabwärts gerichtete Seite die wichtigere war, dort wo ich auf keinen Fall den Halt verlieren wollte.

Und das Wunder geschah! Die Stöcke zitterten zwar wieder kräftig im starken Wasserstrom. Doch nach zwei bis drei Metern wurde das Wasser etwas weniger tief. Und es war klar, dass ich es ohne Probleme bis ans andere Ufer schaffen würde. Als ich drüben ankam und ich mich wieder in meine Beinkleider hüllte, sah ich, dass zwei Möwen genau an der Spitze der kleinen Insel saßen, wo sich das Wasser der beiden Hauptarme teilte. So als ob sie sich über dieses tolpatschige Wesen wunderten, das sich da gerade so mühsam durchs Wasser gekämpft hatte.

 

Grythaugen in der Mitternachtssonne

 

Und ich konnte wieder die wunderbare Schönheit der Landschaft und das warme, goldenrötliche Abendlicht genießen. Mittlerweile war es 23:00, und es sollte bis Mitternacht dauern, bis ich die Hütte erreichte. 13 Stunden hatte diese Tour gedauert, die laut Karte hin und retour etwa 20 km lang war. Aber ich war langsam unterwegs gewesen, in anspruchsvollem Gelände. Und ich hatte mir immer wieder Zeit genommen, um die kleinen und größeren Details dieser Landschaft zu bestaunen und so weit wie möglich fotografisch festzuhalten.

Die Hütte war immer noch leer, und das war gut so. Denn meine durchweichten Socken und Schuhe von der verunglückten Furt muffelten beachtlich. Und ich begann nach Mitternacht noch meine Abendmahlzeit zuzubereiten – Chili con Carne. Es hat köstlich geschmeckt.

...

Gerade habe ich gesehen, dass dort, wo die Schneeschaufel an der Außenwand der Hütte befestigt ist, ein Vogel sein Nest gebaut hat. Zwei grüne Eier von ca. 1 1/2 cm Längsdurchmesser liegen drin. Bis jetzt habe ich dort allerdings noch keinen Vogel gesehen. Oder Moment mal, vielleicht war das dieser kleine Vogel, der bereits zweimal ganz aufgeregt von der Hütte hochgeflogen ist, als ich nach draußen ging? Ich hoffe, dass ich die Nistgewohnheiten mit meiner Anwesenheit nicht allzu sehr durcheinanderbringe.

17:20

Nach einem feinen Mittagessen – Red Thai Curry – und einem Nachmittagsschlaf wollte ich mich also heute dazu aufraffen, die restlichen Clopapierspuren auf der Wiese zu beseitigen, die ich am Vortag übersehen hatte. Da war mir, als ob ich in der Ferne Donnergrollen hörte. Und tatsächlich, da war es wieder. Gleichzeitig spürte ich die ersten Regentropfen. Und ich holte rasch meine Wäsche von der Außenleine in die Hütte hinein. Das meiste war ohnehin schon trocken.

Was ich doch für ein Glück mit dem Wetter bei der gestrigen Tour hatte! Ich hoffe, dass es morgen, bei der Tour auf den Kjøpmannskjølen, auch wieder besser wird. Das Schöne hier in dieser Gegend ist, dass man sehr weit übers Gelände sehen und gut ausmachen kann, wo es gerade regnet. Im Moment ist der Grythaugen ganz hinter Regenschleiern verschwunden. Ab dem Mittelgipfel ist es einigermaßen klar. Und hinter dem Bjørnskardet, wo kurz zuvor noch besonders dunkle Wolken hingen, hat es spürbar aufgeklart. Sogar eine Ahnung von Blau ist dort sichtbar. Dafür ist der Skipskjølen, den man ebenfalls von der Hütte aus sehen kann, nun ganz hinter Regenschleiern verschwunden. Auch hier in der Hütte höre ich nun die Tropfen immer dichter aufs Dach trommeln. Dem Donnergeräusch zufolge ist das Gewitter jetzt ziemlich nahe.

Und schon sind am Himmel wieder blaue Öffnunge zu sehen. Und die Gelsen, die das feuchte Klima nach einem Gewitter lieben, tanzen gierig vor den Fensterscheiben. Jetzt ohne Gelsenschutz hinauszugehen würde bedeuten, sich freiwillig als Vor-, Haupt und Nachspeise eines üppigen Mahls anzubieten.

Was jetzt passiert, gefällt mir aber weniger. Denn über dem Hüttenbach beginnen sich Nebelschwaden zu bilden. Und auch der Grythaugen hat bereits seine drei Häupter in Nebel gehüllt.

20:40

Nun hat der Nebel die Hütte erreicht, und der Regen ist in einen Dauerregen übergegangen. Nebel ist so ziemlich das Unangenehmste, was einem auf einer Tour begegnen kann. Werden sehen, wie es morgen aussieht. Wenn es so bleibt, streiche ich den Kjøpmannskjølen für diesmal und mache mich lieber gleich auf den Rückweg.

 

Nebel vor der Bjørneskarhütte

 

21:20

Es ist unglaublich. Zwischen den zwei Glasscheiben des Fensters hatte sich eine Fliege in einem Spinnennetz verfangen. Ich hatte sie noch beobachtet, wie sie sich gegen die klebrigen Fäden vergeblich gewehrt hatte. Und mich gewundert, wie sie da überhaupt hingelangt war. Mittlerweile scheint sie tot zu sein. Und eine winzige Spinne, etwa fünfmal kleiner als die Fliege, hat ihre Beute fest verzurrt und transportiert sie mit Hilfe der Spinnfäden langsam aber beständig in Richtung Fensterrahmen, wo sie offenbar ihren Stammsitz hat. Das ergibt wohl ein Festessen für einige Tage oder Wochen. Oder vielleicht einen geeigneten Kadaver für die neue Spinnenbrut.

 

Montag, 4. Juli 2022_02:00 morgens

Jetzt habe ich noch das ganze Buch fertiggelesen, das ich auf der Bjørneskardhütte gefunden habe:

Hans K. Eriksen: Partisaner i Finnmark, Tiden Norsk forlag, Oslo 1969

Ein Gutteil der Geschichte hat sich hier im Komagdalen in und um die Bjørneskardhütte (die alte) und oben auf dem Skipskjølen abgespielt. Und mir wurde noch deutlicher bewusst, wie wild und unwirtlich diese Gegend hier sein kann. Und wie wenig ich von exakter Navigation mit Kompass oder GPS verstehe. Und draußen hängt der Nebel tief, als wolle er bleiben. Mir ist etwas mulmig zumute, denn ich weiß, wie leicht man sich im Nebel vertun kann, selbst wenn man eine Gegend gut kennt. Aber jetzt will ich noch versuchen zu schlafen.

16:40

Draußen vor dem Fenster trippelt gerade ein kleiner Vogel mit grauem Bauch und Kopf und etwas dunkler gezeichneten Flügeln herum und sucht nach Essbarem. Ich bin seit heute Mittag wieder auf der Ragnarokkhütte und froh darüber. Die Hütte gibt einem das Gefühl, auf einer richtigen Berghütte zu sein. Alles ist sauber, auch das Clo. Und die Landschaft ist wunderbar. Karge weite Hochebene ringsum, offene Weite, direkt gegenüber dem Skipskjølen. Und ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich glaube, ich habe den Noiddiid Čearru in der Ferne identifiziert.

 

Ragnarokkhütte mit Skipskjølen im Hintergrund

 

Heute morgen ist der Nebel immer dichter geworden. Als ich von der Bjørneskardhütte wegging, sah man kaum bis zur gegenüberliegenden Seite des Baches. Aber das änderte sich schnell. Als ich auf der Landzunge zwischen Gárgašjohka und der vom Skipskjølen kommenden Vuoččalanjohka in Richtung Ragnarokk ging, lichtete sich der Nebel langsam. Und weiter oben kam dann stellenweise sogar die Sonne durch. Und als ich bei Ragnarokk ca. 3 1/2 Stunden später ankam, war der Himmel großflächig mit Blau durchsetzt, und die Sonne tauche die Landschaft in ein schönes Licht.

Die Herausforderung war heute nicht der Nebel, sondern die Gelsenplage. Als ich wegging, war es komplett windstill, mit 15 Grad ziemlich warm, und nach dem gestrigen Regen war alles feucht und dampfig. Die Gelsen waberten in dichten Schwärmen um mich herum und waren sehr aggressiv. Ich hatte unten Strumpfhose, Knieschützer und Wanderhose an. Und oben den Anorak samt Kapuze über dem Unterleiberl. Denn durch den können sie doch nicht durchstechen. Da schwitzte ich aber ziemlich. Und alle 20 bis 30 Minuten besprühte ich Kopf und Hals von Neuem mit "Anti-Brumm" und verteilte mir den Spray mit den Handflächen auch im Gesicht, weil ich das Gefühl hatte, dass die Wirkung nicht lange anhielt. Die Gelsen waren so aggressiv, dass sie mir auch immer wieder zwischen Augen und Brille kamen oder in die Nasenlöcher hinein. Und die eine oder andere schaffte es sogar, durch irgendeine Öffnung in den Anorak hineinzukommen und sich dort einen geeigneten Ort für ihre Mahlzeit auszusuchen. Nur nicht kratzen, dann vergeht der Juckreiz schneller!

Das "Anti-Brumm" hat zwar seinerzeit den Arbeiterkammer-Test als Sieger bestanden. Aber ich glaube, die Tester haben dabei eher auf das Fehlen von Schadstoffen und so geschaut. Und es jedenfalls nicht in den nordnorwegischen Sümpfen und Tundren getestet. Das Mittel, das ich im Jahr 2000 auf der Finnmarksvidda verwendet und vorher in Karasjok gekauft hatte, hat jedenfalls besser gewirkt.

Ich war der geballten Aggression also ziemlich ausgeliefert. Dazu noch dieses gereizte Sirren und Summen. Ich konnte nicht stehenbleiben, sonst wäre es noch schlimmer gewesen. Sogar meinen Jausenriegel aß ich im Gehen. Erst ganz zum Schluss, als ich schon fast bei Ragnarokk war, kam ein leichtes Lüfterl auf. Und ich wagte es, nach einer neuerlichen Besprühung meines Kopfes die Anorakkapuze abzusetzen. Doch die Schwärme waren immer noch da. Sie konnten nur nicht ganz so gut landen.

Unterwegs ging mir immer noch die Geschichte des Partisanenbuches von gestern Nacht durch den Kopf. Jede Gegend hier hat ja ihre eigenen Erzählungen zu dem Thema. Diese Männer haben Außergewöhnliches geleistet. Gleichzeitig wurden sie von den Russen ziemlich hängen gelassen. Und es wirkt alles so sinnlos. So viele mussten sterben für nichts und wieder nichts.

Von denen hier im Komagdalen überlebte ja laut Autor nur einer, dieser Lund, vormals Eriksen. Und das Buch beruhte auch hauptsächlich auf seinen Erzählungen. Er war Lehrer und wurde 1940 von den Russen angeworben. Damals war die Finnmarksvidda von den Deutschen gerade frisch besetzt worden. Und die Idee war, sie von hier wieder zu vertreiben, bevor sie sich fest einnisten konnten.

Dieser Lund fuhr damals viel mit seinem Rad herum und redete mit vielen Leuten. Und meldete alle Aktivitäten an die Russen. Zunächst via Fischerboote, die einander draußen auf dem Meer trafen. Eine der Meldungen war, dass die Deutschen offenbar ein paar Pontonbrücken in den Norden transportiert hatten. Die konnten nur für einen Angriff auf die Russen im Norden gedacht sein. Und der Buchautor schrieb, dass diese Nachricht die Russen wohl wachrüttelte. Später konnte der Lehrer auch noch vermelden, wann genau die Deutschen den Angriff auf die Russen planten. Doch diese Nachricht dürften die Russen parallel durch mehrere Kanäle erhalten haben. Es scheint so, als ob die Partisanen der ersten Stunde (denn der Lehrer hatte natürlich ein Netz von Verbündeten und Mittelsmännern) dazu beigetragen hatten, dass die Russen auf den Angriff der Deutschen im Norden gut vorbereitet waren und diesen abwehren konnten, im Gegensatz zu den Angriffen im Süden.

Als nächster Schritt kam eine kleine, in Murmansk geschulte Partisanengruppe auf die Varangerhalvøya; 13 Mann, Russen und Norweger, die den Angriff der Russen auf die Finnmark vorbereiten sollten. Besser gesagt, die Befreiung. Der Lehrer hatte sich vor seiner Rekrutierung versichern lassen, dass die Russen keinerlei Gebietsansprüche an die Finnmark stellen würden. Aber was bedeuten schon solche Versicherungen?

Wie auch immer. Die Operation schlug fehl. Die Partisanentruppe, die mit einem U-Boot auf Langbunes gelandet war, zog sich ins Komagdalen zurück. Zunächst auf Hütten weiter unten, und später auf die alte Bjørneskardhütte. Doch dann wurden die Partisanen von einem Einheimischen, der zufällig auf die Gruppe stieß, an die Deutschen verraten. Die Norweger in der Gruppe hatten sich gegenüber den Russen durchgesetzt und darauf bestanden, dass man den Mann ungeschoren laufen ließ. Und das war der Dank!

Von da an waren sie nur noch auf der Flucht. Es war der Übergang von September zu Oktober. Der erste Schnee kam. Bei einem Überfall auf einen Treffpunkt weiter unten im Tal (als Folge des Verrats) gab es erste Todesopfer. Sie verloren einen Teil der Ausrüstung. Und auch die Bjørneskardhütte war nicht mehr sicher. Zunächst bauten sie sich eine behelfsmäßige Steinhütte im Bjørnskardet. Dann machten sie sich auf die Suche nach einer "Kjølstua" genannten Hütte, die den Mitarbeitern von Varanger Kraft ursprünglich als Unterschlupf gedient hatte beim E-Leitungsbau.

Diese Hütte soll vom Komagdalen aus auf der anderen Seite des Skipskjølen gelegen sein. Und mir war sofort klar, dass das die heutige Heimdalhütte gewesen sein musste. Der Lehrer und ein oder zwei seiner fjellkundigen Gefährten führten die Truppe trotz knietiefen Schnees quer über den Skipskjølen, damit sie in dem Schneesturm die Richtung des Kompasses nicht verloren. Es wurde auch betont, dass der Lehrer gute Karten hatte, was damals offenbar keine Selbstverständlichkeit war. Der Lehrer und sein Team waren sogar in der Lage, aufgrund der Reisegeschwindigkeit berechnen zu können, wann ungefähr sie in der Nähe der Hütte angelangt waren, um die Umgebung nach ihr abzusuchen. Denn bei einem Schneesturm ist Orientierung im Gelände so gut wie unmöglich. Alles ist weiß. Und oft weißt du dann nicht einmal mehr, ob du bergauf oder bergab gehst. Doch dank der exzellenten Navigationsfähigkeiten des Lehrers fanden sie die Kjølstua.

Mit dem Funkgerät nahmen sie Verbindung mit Murmansk auf. Und Murmansk versprach, Essen und Ausrüstung an der vereinbarten Stelle, die präzise angegeben wurde, abzuwerfen mit einem Fallschirm. Doch die Lieferung ging schief. Jahre später entdeckte man, dass sich der Fallschirm nicht geöffnet hatte und die zerschellten Reste der Lieferung irgendwo in der Nähe des Kjøpmannskjølen (sam. Noiddiid Čearru) herumlagen.

Die Männer in der Kjølstua, die weder Essen noch Winterausrüstung hatten, mussten also wieder ins Tal. Murmansk versprach, sie mit einem U-Boot auf Langbunes abzuholen. Doch das U-Boot kam nicht. Die Gruppe wurde geteilt, zum Teil wieder verraten. Und bis auf den Lehrer kamen letztlich alle um. Entweder bereits bei diesem Einsatz, oder bei einem späteren.

Ach ja, auf der Kjølstua hatten die Leute in Ermangelung von Schiern Planken aus dem Pferdestall herausgerissen und sich an die Füße gebunden. Und in der ehemaligen Bjørneskardhütte gab es auch noch ein blutiges Finale, bei dem ein paar der Partisanen erschossen wurden.

Schön zu lesen war, dass es auch mutige Helfer gab, die einen Teil der Truppe unter Gefahr des eigenen Lebens in einer Grube unter dem Fußboden ihres Wohnhauses beherbergten. Das war, nachdem die Partisanen vergeblich auf das U-Boot aus Murmansk gewartet hatten und die Deutschen wieder auf sie aufmerksam geworden waren.

So viel Mut! So viel Einsatz! Und so viel Kenntnis der Gegend und Navigationskenntnis!

Ich schäme mich fast, dass ich auf der Fahrt zum Stjernevannet zu Steinar gesagt habe, dass ich die Gegend hier heroben mittlerweile ganz gut kenne. Einen Schmarrn tu ich! Solchen Männern, Jägern und Fischern, kann ich nicht im Entferntesten das Wasser reichen. Auch nicht den Samen. Ich bin eine abenteuerlustige Frau, die sich halt hier immer wieder durch die Gegend schlägt, und die bisher verdammtes Glück gehabt hat. Mehr nicht.

Naja. Der Himmel hat sich in der Zwischenzeit wieder etwas mehr verzogen. Aber es sind noch blaue Flecken und eine Ahnung von Sonne zu sehen. Meine große Hoffnung ist ja, dass ich den Kjøpmannskjølen resp. Noiddiid Čearru morgen doch noch von hier aus besteigen kann. Laut GPS ist die Entfernung von hier – in Luftlinie wohlgemerkt – mit 8,5 km sogar um 1 km kürzer als von der Bjørneskardhütte. Aber das sagt nicht viel aus, weil man sich dabei durch relativ unübersichtliches Gelände schlagen muss. Auf der Karte hab ich mir schon einen Weg zurechtgelegt. Werden sehen, ob er funktioniert. Und vor allem, ob morgen das Wetter passt.

Insgesamt hat es mir glaub ich ganz gut getan, dass ich heute noch einen weiteren Tag mit etwas weniger Anstrengung hatte. Ich hab auch am Nachmittag noch geschlafen, weil ich nach der kurzen Nacht ziemlich müde war.

18:50

Als ich gerade mein Abendessen verspeiste (Dorsch in Currysauce, und danach heiße Schokolade, mmm!), sah ich durchs Hüttenfenster, wie dichter Nebel durch das Hüttental heraufkroch. Und als ich draußen vor der Hütte abwusch, sah ich, dass der Nebel auch von der anderen Seite kam, vermutlich durchs Tal der Vuoččalanjohka und dann über den Bergriegel, der die beiden Täler voneinander trennt.

Fast hatte ich mir ja sowas gedacht, als ich am Nachmittag sah, dass sich tiefliegende Wolkenschichten unten vom Meer herauf durchs Tal wälzten. Jetzt sind sie also auch hier heroben.

 

Dienstag, 5. Juli 2022_07:00

Der Nebel ist über Nacht noch dichter geworden. Jetzt sieht man wirklich nur noch zehn Meter oder so und kann nicht einmal mehr Umrisse der Umgebung erkennen. Ich kann nur hoffen, dass mein GPS funktioniert. Ich verwende es ja fast nie, weil ich das Navigieren mit Karte in der Regel bevorzuge. Aber falls ich nicht zur Heimdalhütte finde, habe ich immer noch das Zelt dabei. Außerdem hatte ich hier auf Ragnarokk wieder sms-Verbindung. Und ich hab Daniela & Dieter gesimst, dass hier dichter Nebel ist und was mein weiterer Weg sein wird.

 

Dichter Nebel vor der Hütte

 

Im Moment nieselt es noch, und es ist deutlich kälter als gestern. Ich werde noch warten mit dem Gehen, vielleicht wird die Sicht etwas besser. Mein Magen knurrt zwar, aber ich werde meinen Morgenriegel erst vor dem Weggehen essen, damit ich genügend Energie beim Gehen habe.

Eigentlich ein Glück, dass ich die Hütte hier ganz allein für mich habe. Ein Blick ins Hüttenbuch hat gezeigt, dass von 7. bis 8. September 2021 gleich zehn Menschen gleichzeitig auf der Hütte hier waren. Bei insgesamt vier Betten müssen da wohl einige auf dem Boden geschlafen haben.

Nebel scheint es hier heroben übrigens öfter zu geben, den Einträgen im Hüttenbuch zufolge.
 

Mittwoch, 6. Juli 2022_5:30

Die Sicht hier auf Heimdal ist immer noch frei. Die Morgensonne wird nur manchmal von Wolken verdeckt.

Gestern bin ich um ca. 11:00 von Ragnarokk gestartet, bei dichtem Nebel. Als ich unten beim Hüttenbach war, war die Hütte hinter mir bereits vom Nebel verschluckt. Aber mit Hilfe meines GPS-Geräts ging das Navigieren trotzdem ganz gut. Als ich mich dem weitverzweigten Quellgebiet der Morešveaijohka näherte, war plötzlich auch die Sicht wieder da. Als ich ein Schneefeld entlang ging und gerade wieder den Weg nachvollziehen wollte, über den ich hergekommen war, dachte ich mir aber plötzlich, es ist nicht ideal, dieses Gebiet so weit oben anzuschneiden und über jeden Quellbach samt aufgeschütteten Steinen drüberzuklettern. Stattdessen peilte ich eine Stelle weiter unten an, wo sich die Vielzahl an Rinnsalen zu zwei Wasserläufen vereinigt hatte. Dort waren mehr Grün und weniger Steine. Und ich musste mir zum Furten alles mühsam aus- und wieder anziehen. Doch das war's dann auch. Stelle gemeistert. Ich gönnte mir eine kurze Rast samt Jause und genoss die Sonne und das friedliche Plätschern des Wassers.

 

Beim Quellgebiet der Morešveaijohka lichtet sich der Nebel

 

Aber als ich weiterging und über die steinige Ebene auf "mein" Steinköpfl zusteuerte, von dem es zur Heimdalhütte nicht mehr weit war, sah ich, wie hinter mir der Nebel wieder stärker über die Schulter des Skipskjølen zu wallen begann. Auch in den umliegenden Tälern krochen dicke Wolkenwürmer langsam aber stetig nach oben.

 

Mittwoch, 6. Juli 2022_20:00

Nachtrag zur Heimdalhütte:

Unter der Hütte wohnt ein Lemming. Anfangs flitzte er immer sofort in Deckung, wenn er mich sah. Doch heute morgen, als ich gerade Wasser holen wollte, schaute er mich an und knabberte dann seelenruhig an ein paar Grashalmen. Ich blieb natürlich sofort still stehen und betrachtete ihn. Er hatte ein hellbraunes Fell und am Kopf und oberen Rücken eine schwarze Zeichnung. Als ich mich wieder bewegte, war er aber sofort weg. Und er kam auch nicht wieder raus, nicht einmal zu einem Abschiedsfoto.

 

Start von der Hütte bei Sonnenschein

 

Über die karge Hochebene zurück auf die andere Seite der Skipskjølen-Felsrippe

 

Überquerung der Ravdoljohka

 

Auf dem Suoidneoaivvit holt mich der Regen ein

 

Das Wetter war heute den ganzen Tag recht wechselhaft. Immer wieder konnte ich – zunächst in der Ferne – Regenfronten beobachten, die sich aber schnell wieder auflösten. Beim Aufstieg auf den Suoidneoaivvit bekam ich ebenfalls ein paarmal einen Guss ab. Und als ich über die Kuppe kam, sah ich dort, wo zuvor gerade noch das Hanglefjell zu sehen gewesen war, nur noch dunkelgraue Wolkenfronten. Beim Abstieg zu den Svanevannan begann es wieder zu regnen. Der Wind wehte heftig. Ich stellte rasch das Zelt auf, weil ich hier ohnehin übernachten wollte. Und ich holte mir von einer nahegelegenen Feuerstelle noch ein paar Steine, um die Zeltheringe zu beschweren. Doch kaum war ich fertig damit, kam die Sonne hervor, und der Wind legte sich. Und die Gelsen begannen ihren nervösen Tanz und ihr enervierendes Gesumse. Ich hab auch kaum noch Gelsenspray, bin ihnen also ziemlich wehrlos ausgeliefert. Ich hab mich deshalb im Zelt verschanzt und hoffe inständig auf etwas Wind.

So wunderschön diese Wanderung war, jetzt spüre ich doch wieder Sehnsucht nach einem Ende der Strapazen, zumindest vorübergehend. Mein nächstes Ziel ist die Hütte von Daniela und Dieter bei den Fossvatna im Kongsfjorddalen. Ich hoffe, dass ich morgen ein Auto stoppen kann. Denn auf der Straße sind es vom Stjernevannet dorthin noch rund 16 km. Und dann werde ich von dort ausschwärmen bzw. wenn das Wetter passt, von der Hütte zu Fuß nach Berlevåg gehen. Erfahrungsgemäß dauert letzteres rund 2 1/2 Tage.

Sehe grad durchs Zeltfenster, es gibt wieder Regenwolken. Und leider immer noch Windstille und Gelsengesang.
 

Donnerstag, 7. Juli 2022

Ich sitze gerade in der Hütte von Daniela & Dieter. Vor dem südwestseitigen Fenster hängen Strohalme und trockene Gräser nach unten. Ich hab natürlich sofort inspiziert, ob dort ein Vogelnest oben am Fenstersims ist. Irgendwelche gefiederten Gefährten haben dort tatsächlich eine Menge Stroh und Zweige und Heu angesammelt. Aber offenbar hat sie irgendetwas beim Nestbau unterbrochen. Denn ich hab weder eine Einbuchtung für die Eier gesehen, noch irgendwelche Eier. Dabei wäre der Platz dort tatsächlich ideal, weil das Fenster durch die Veranda überdacht ist, und Daniela & Dieter außerdem sehr tierlieb und gastfreundlich sind.

Letzte Nacht hab ich wunderbar geschlafen. Kleinere Pausen abgerechnet ca. 12 Stunden!!! Bei meinem fragilen Schlaf bin ich immer sehr dankbar für solche Ereignisse. Vermutlich war es auch die Anstrengung. Denn selbst wenn der Rucksack jetzt leichter ist als am Anfang und ich gestern nicht mehr als ca. 15 km gegangen bin, strengt es mich offenbar doch an.

Gerade prasselt wieder heftiger Regen aufs Dach. Das Wetter ist heute sehr wechselhaft. Heftiger Regen und Gewitter wechseln mit Sonnenschein. Und das oft in sehr rascher Abfolge.

Heute früh hatte ich jedenfalls noch gutes Wetter, um zu frühstücken und die erste Furt zu überqueren. Doch kaum war ich drüben, sah ich auch schon von hinten die Regenschleier kommen. Anfangs waren es kürzere Nieselperioden. Und die Gelsen waren extrem lästig. Ich konnte nicht anders und sprühte mich am Kopf und Hals ein. Eigentlich wollte ich das wenige Gelsenmittel, das ich noch habe, für wirkliche Notfälle aufheben. Aber das heute war so ein Notfall. Die Viecher surrten und waberten um mich herum, verfingen sich zwischen Augen und Brille, gerieten mir in die Nasenlöcher etc. Aber das hab ich ja alles schon früher ausreichend beschrieben ...

Dann hörte ich Donnergrollen, und plötzlich prasselte Hagel herab. Rund um mich türmten sich beeindruckende Gewitterwolken auf. Es war schön anzuschauen. Und weil auch Wind aufkam und mich von der Gelsenplage befreite, konnte ich es sogar irgendwie genießen. Froh war ich aber doch, dass das Epizentrum des Gewitters an mir vorbeizog. Ich fürchte mich zwar nicht vor Gewittern. Aber so ganz schutzlos auf öden Bergkuppen den Blitzen ausgesetzt sein muss ich auch nicht haben.

 

Gewitterwolken auf der letzten Etappe

 

Es begann dann ziemlich heftiger und lang andauernder Regen. Und leider ist meine uralte Rucksackregenhülle zwar groß, sodass sie übers aufgeschnallte Zelt drübergeht, aber alles andere als dicht. Die hatte ich seinerzeit bei meiner ersten Hornstrandir-Wanderung erstanden. Und damals hielt sie noch mehr aus.

Kurz bevor ich zum Stjernevannet kam, schien plötzlich wieder die Sonne. Die Furt war diesmal weniger als halb so tief wie beim Start. Man merkt, dass das Schmelzwasser jetzt so ziemlich aufgehört hat.

 

Bei der Hütte am Sternevannet scheint wieder die Sonne

 

Hab dann autozustoppen versucht. Zunächst sah es aber gar nicht gut aus. Die Straße ist nicht allzu befahren. Und die, die kamen, brausten alle vorbei. Nach einer halben Stunde wurde ich ungeduldig und begann am Straßenrand Richtung Gednje zu marschieren. Wenn ich ein Auto von hinten kommen hörte, streckte ich die Hand raus. Und tatsächlich blieb dann ein Auto stehen, ein sehr freundlicher und auch humorvoller Fischer aus Berlevåg, der mich bis zur Hütte mitnahm.

Hab übrigens grad eine sms von Daniela emfangen (hier habe ich ja wieder zumindest schwachen Empfang). Morgen regnet es, am Samstag regnet es bis 9 Uhr, dann bewölkt und abends etwas Sonne, Sonntag Sonne, gegen Nachmittag und Abend etwas Regen. Das hört sich so an, als ob ich mich tatsächlich zu Fuß nach Berlevåg aufmachen könnte.
 

Freitag, 8. Juli 2022_00:05

Heute ist die "Nacht" der Regenbögen. Denn es ist ja noch immer Mitternachtssonne. Und der ständige Wechsel zwischen Niederschlägen und Sonne bringt die wunderbarsten Prachtexemplare hervor. Einer der Regenbögen war doppelt. Auf rot-orange-gelb-grün-blau-lila folgte dieselbe Farbenfolge noch einmal, deutlich sichtbar. Und dieser Regenbogen hatte noch einen zweiten, weniger deutlichen etwas oberhalb. Und der schien mir von den Farben her quasi gespiegelt, also innen mit rot und orange beginnend und nach außen hin blau und violett.

 

Regenbogen bei der Hütte im Kongsfjorddalen

 

19:45

Wieder was gelernt. Die Tierlosung, die auf dem Weg zur Wasserstelle am Fluss liegt – lauter kleine, perfekt oval geformte Koteier – sind von einem Elch. Dafür ist das, was ich vorgestern für ein Elchgeweih hielt und fotografierte, das Geweih von einem stattlichen Rentierbock. Die breiten Schaufeln vorn dienen dazu, im Winter den Schnee wegzuschaufeln, um an Futter zu kommen. Sagt Dieter. Heute nachmittag waren nämlich Daniela & Dieter bei mir auf der Hütte zu Besuch. Sie hatten die Katzen nach Tana zum Tierarzt gebracht. Auf der Heimfahrt schliefen die Tiere noch nach der Spritze, die sie gekriegt hatten. Und wir verspeisten Köstlichkeiten wie Hangikjøtt, Käse, Oliven, frische Herzkirschen ... alles Dinge, die ich nun lange Zeit vermisst habe. Und es hat gut getan, von der Tour zu erzählen, Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen und Ideen für kommende Touren anzudenken.
 

Dienstag, 12. Juli 2022

Ich sitze nun im Scandic City Hotel von Rovaniemi/Finnland, und hoffe, dass morgen mit meinem Flug nach Zürich alles klappt.

Begonnen hatte es damit, dass mir Daniela und Dieter bei ihrem Besuch auf der Hütte erzählten, dass nach den Flugtechnikern nun die Piloten bei SAS im Streik seien. Ende nicht absehbar.

Eigentlich wollte ich ja noch zu Fuß via Risfjordkrysset nach Berlevåg gehen. Doch als es am Samstag immer noch regnete, siegte die Unruhe über den ungeklärten Heimflug, und ich packte zusammen und versuchte ein Auto nach Berlevåg zu stoppen. Und ich hatte ein Riesenglück. Denn ein deutscher Siemenstechniker hielt an, der im Windpark von Berlevåg zu tun hatte. Und er erzählte mir, dass er am Montag früh mit dem Auto zuück nach Hamburg fahren wird.

Am Sonntag checkte ich dann gemeinsam mit Daniela die Situation. SAS hatte mir bereits geschrieben, dass meine Flüge höchstwahrscheinlich gecancelt würden und ich mich um Ersatzreisemöglichkeiten umsehen sollte. Hier oben im Norden sind Alternativen jedoch rar. Die Tickets beim Konkurrenten Norwegian waren für die fragliche Zeit bereits ausgebucht. Eisenbahn gibt es keine so weit im Norden. Und das öffentliche Busnetz war in den vergangenen Jahren sukzessive ausgedünnt worden. Da hatte Daniela die Idee, ein Ticket von Ivalo/Finnland aus zu buchen. Ivalo liegt nicht weit von der norwegischen Grenze entfernt. Und auch die Hauptverkehrsstraße von Berlevåg in den Süden führt hier durch.

Doch das war ein Wettrennen gegen die Zeit. Denn während Daniela und ich am Computer saßen und die Buchung finalisieren wollten, änderten sich dauernd die verfügbaren Flüge und die Preise. Es war ganz offensichtlich, dass wir nicht die einzigen waren, die das probierten. Bald war klar, dass die Flüge von Ivalo aus bis gegen Ende der kommenden Woche ausverkauft waren. Schließlich ergatterten wir einen Flug von Rovaniemi nach Zürich für Mittwoch um rund 500 Euro. Das war zwar fast doppelt so teuer, als es kurz zuvor noch auf der Finnair Website angegeben war. Aber trotzdem eine brauchbare Variante. Und für die letzte Etappe buchte ich dann einen Schlafwagen von Zürich nach Wien.

Nun musste ich noch den Siemenstechniker, der im selben Pensjonat wie ich wohnte, fragen, ob er mich am Montag bis nach Rovaniemi mitnehmen würde, das an seinem Weg lag. Er war einverstanden. Und so kam es, dass ich auf diesem Urlaub auch die finnische Seenplatte und Rovaniemi, die Heimatstadt der Nikoläuse, kennenlernen durfte.

 

Rovaniemi liegt am Zusammenfluss des Ounasjoki mit dem Kemijoki

 

Das Wahrzeichen der Stadt, die Nikoläuse